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Mit der neuen Fortbildungsstufe fit für Industrie 4.0 : Datum:

Das InnoVET-Projekt „BIRD“ bereitet Auszubildende und Fachkräfte aus kaufmännischen und gewerblich-technischen Berufen auf die digitale Transformation in der Industrie vor. Mit seiner Fortbildung schafft es attraktive Karriereoptionen und füllt die erste Fortbildungsstufe „Geprüfter Berufsspezialist“ mit Leben.

Das Projekt BIRD hat sich viel vorgenommen. Zu gleich zwei großen Herausforderungen der Berufsbildung will es einen Beitrag leisten: Fachkräfte für die „Industrie 4.0“ qualifizieren – und die Attraktivität der beruflichen Aus- und Weiterbildung steigern. Die Antwort darauf ist die neue Fortbildung „Geprüfte/r Berufsspezialist/in für Industrielle Transformation“, die jetzt mit über 30 Teilnehmenden in Nürnberg und Bayreuth gestartet ist. Allerdings: Der neue Fortbildungsabschluss ist noch keine Marke wie der Meister. Für das Projekt heißt das: Bretter bohren – dazu später mehr.

„Der Mangel an qualifizierten Fachkräften ist ein zentrales Hemmnis bei der Ausgestaltung der digitalen Transformation“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Karl Wilbers von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Die Fortbildung bietet Auszubildenden und Fachkräften die Chance, ihre Kenntnisse der digitalen Technologien und im Projektmanagement zu erweitern. So können sie eine verantwortungsvolle Rolle bei Digitalisierungsprozessen im Betrieb übernehmen.

Fortbildung „Geprüfte/r Berufsspezialist/-in Industrielle Transformation“: Ein Unternehmen berichtet

Das InnoVET-Projekt „BIRD“ startet seine neue Fortbildung „Geprüfte/r Berufsspezialist/-in Industrielle Transformation“. Hier berichtet ein Unternehmen, wie es damit seine Ausbildungsgänge optimieren möchte.

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Zugleich schafft das Projekt attraktive Karriereoptionen: „Der Berufsspezialist ist ein Wertversprechen der Betriebe an Auszubildende: Mach bei uns eine Ausbildung und danach geht es weiter“, erklärt Karl Wilbers. „Für Leistungsstärkere, die sonst ein Studium aufgenommen hätten, bietet der Berufsspezialist ein Add-On zur Ausbildung. Sie können bereits in der Ausbildungszeit Teile der Fortbildung ablegen und haben dann mehr als nur den Ausbildungsabschluss.“

Gunter Gollasch, Werksleiter bei Schlaeger Kunststofftechnik in Bayreuth sagt: „Wir stellen uns vor, dass wir unsere Ausbildungen zum Mechatroniker und Verfahrensmechaniker inhaltlich ergänzen um Themen wie Projektmanagement, Datenverarbeitung und Kommunikation.“ Und ausgebildete Fachkräfte bringen mit der Fortbildung ihre Kenntnisse auf den aktuellen Stand, stellen sich für die digitale Arbeitswelt gut auf und starten ihren beruflichen Aufstieg. So wie Fachkraft und Betriebsrat Jonas Beer, der findet: „Das Thema Industrielle Transformation steckt voller Zukunftsideen und ich möchte optimal auf die Zukunft in meinem Berufsleben vorbereitet sein.“

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„Der Berufsspezialist ist ein Wertversprechen der Betriebe an Auszubildende: Mach bei uns eine Ausbildung und danach geht es weiter.“

Prof. Dr. Karl Wilbers, Projektleiter

Vier Lernmodule machen fit für die industrielle Transformation

Um die Teilnehmenden auf die Industrie 4.0 vorzubereiten, hat das Projektteam vier Lernmodule im Umfang von je 100 Unterrichtsstunden entwickelt. „Es geht darum, die Fachkräfte für die industrielle Transformation fit zu machen. Sie müssen mit den Technologien umgehen können“, erklärt Franziska Müller, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FAU. Aber das allein wird nicht reichen: „Wenn es um Transformation geht, brauchen die Leute Methodenkompetenzen, um das Gelernte im Betrieb anzuwenden. Die Teilnehmenden sollen handlungsfähig werden.“

Die Teilnehmenden lernen im ersten Modul klassische wie auch agile Methoden des Projektmanagements sowie Visualisierungs- und Optimierungsmöglichkeiten von Prozessen kennen. „Ob im Büro oder in der Produktionshalle: Um Digitalisierungsprozesse in Industrieunternehmen aktiv gestalten zu können, sind Kenntnisse im Prozess- und im Projektmanagement wichtig“, erklärt Lehrer Moritz Dier von der staatlichen Berufsschule 1 und Technikerschule in Bayreuth.

Im Betrieb werden Berufsspezialistinnen und -spezialisten zwischen ausgebildeter Fachkraft und Meister oder Bachelor bzw. Fachwirt positioniert sein. Sie müssen schnittstellenübergreifend arbeiten und kooperieren können. Dafür gibt das Projekt den Lernenden im Modul „Kooperation in industriellen Prozessen“ analoge und digitale Methoden an die Hand: für Kommunikation, Kooperation, zur Lösung von Problemen oder Konflikten, für den Umgang mit Diversität und zur Selbstführung.

Spezial-Module für kaufmännische und gewerblich-technische Berufe

Je nach beruflichem Hintergrund spezialisieren sich die Teilnehmenden im technischen oder im kaufmännischen Modul in eine bestimmte Richtung:

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„Wir wollen den Fachkräften die Hemmungen nehmen zu programmieren.“

Franziska Müller, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FAU Erlangen

Das Modul für die kaufmännischen Teilnehmenden orientiert sich am Beruf der Industriekaufleute. „Egal ob sie im Marketing, im Personalbereich oder in der Logistik arbeiten, die Digitalisierung von Daten ist essenziell“, sagt Franziska Müller. „Sie müssen Datenmanagement beherrschen.“ Dazu zählt Daten zu erfassen, zu recherchieren, aufzubereiten, ihre Qualität abzustimmen und auch den Datenschutz zu berücksichtigen. Auch Programmierkenntnisse sind ein Thema. „Wir wollen den Fachkräften die Hemmungen nehmen zu programmieren.“

Im Modul für die gewerblich-technischen Berufe liegt der Fokus auf Produktionsprozessen. Es geht darum, die Mitarbeitenden von der nicht-automatisierten Produktion in die Halbautomatisierung zu bringen. „Das Szenario Smart Factory existiert so in den Unternehmen noch nicht“, sagt Franziska Müller. Es gilt also zunächst, Produktionsprozesse und -anlagen zu vernetzen. Auch hier ist der Umgang mit Daten zentral: Die Teilnehmenden lernen Maschinendaten zu organisieren, auszuwerten und Fehler zu erkennen. Der Blick geht aber auch in die Zukunft: „Moderne Simulationstechnologien wie Additives Fertigen, Mixed Realities und Digitale Zwillinge stehen ebenfalls auf dem Lehrplan“, verrät Dr. Hasan Gencel von der Beruflichen Schule 2 der Stadt Nürnberg.

Im vierten und letzten Modul bearbeiten die Teilnehmenden im eigenen Betrieb ein individuelles Projekt. Es dient dazu, den Transfer in die Betriebspraxis anzuregen. Die Idee beim projektorientierten Lernen ist, dass das Wissen und die Kompetenzen nicht nur angewendet werden. Bestimmte Inhalte werden vertieft und auch noch ganz neu erlernt. Neu in einer hoheitlichen Fortbildung ist auch die Möglichkeit, direkt nach jedem Modul eine Prüfung abzulegen. Rechtlich ist hierfür alles geklärt: „Die Besondere Rechtsvorschrift der IHK Nürnberg für Mittelfranken und der IHK für Oberfranken Bayreuth für die Prüfungen, also die offizielle Zulassung, liegt bereits vor“, erklärt Anna Hager von der IHK Oberfranken für Bayreuth.

Vermittelt werden die Lernmodule im Blended-Learning-Format mit einem Anteil von 40 bis 60 Prozent E-Learning. „Mit dem Blended Learning möchten wir die positiven Aspekte des Präsenzlernens und des E-Learning miteinander verbinden“, erklärt Moritz Renner. Für die berufliche Bildung ist das ein klarer Fortschritt, denn hier lag der Schwerpunkt auf Präsenzunterricht. Damit das neue Lernformat erfolgreich ist, werden die Lehrkräfte dafür entsprechend geschult.

Fortbildung „Geprüfte/r Berufsspezialist/-in Industrielle Transformation“: Teilnehmende berichten

Das InnoVET-Projekt „BIRD“ startet seine neue Fortbildung „Geprüfte/r Berufsspezialist/-in Industrielle Transformation“. Hier berichten Teilnehmende, was ihre Erwartungen an das neue Bildungsangebot sind und was sie überzeugt hat.

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Unterschiedliche Erwartungen bei KMU und Großunternehmen

Grundlage für die vier Lernmodule waren 25 Interviews mit Unternehmen aus der Region Nürnberg und Bayreuth. „Die Bedarfe von KMU waren sehr ähnlich zu den Antworten der Großunternehmen“, berichtet Franziska Müller. Unterschiedlich ist aber die Erwartung an die Rolle der Berufsspezialistinnen und -spezialisten: „KMU wünschen sich jemanden, der mehr von Digitalisierung versteht, als sie es bisher im Unternehmen anwenden. Die Person soll die Digitalisierungsprozesse im Unternehmen vorantreiben und Multiplikator für das Thema sein.“ In großen Industriebetrieben geht es eher darum, mit dem Berufsspezialisten eine bestimmte Rolle in der Hierarchie zu besetzen: etwa in der Instandhaltung, als Vorarbeiter, als Springer oder Vertretung für Meisterinnen oder Meister.

Entwickelt wurden die Lerninhalte gemeinsam von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, den beiden IHKs und den beteiligten Berufsschulen. Für alle Beteiligten eine spannende, neue Erfahrung: „Es ist ein Aushandlungsprozess, in dem viel sachlich diskutiert wird“, berichtet Stefanie Schächtner, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FAU. „Das ist zu wissenschaftlich, das dauert zu lang, das ist zu sehr aus der Hüfte geschossen. Wir diskutieren die unterschiedlichen Vorstellungen, aber wir kommen immer zusammen.“

Aufklärungsarbeit für den Fortbildungsabschluss

Neben der Entwicklung der zukunftsrelevanten Fortbildungsinhalte leistet das Projekt auch ein zweites Mal wichtige Pionierarbeit: Es leistet Aufklärungsarbeit zum Fortbildungsabschluss „Geprüfter Berufsspezialist“.

„Die Vermittlung dieses neuen Fortbildungsabschlusses ist schwierig“, berichtet Karl Wilbers. „Wenn jemand über einen Abschluss als Geselle oder als Meister spricht, wissen alle, was gemeint ist. Aber der Berufsspezialist ist nur Fachleuten der beruflichen Bildung bekannt. Das ist noch keine etablierte Marke.“ Das führt zu Fragen: Wie positioniert sich der Berufsspezialist? Wo steht er in der betrieblichen Hierarchie? Welche Aufgaben übernimmt die Person?

Um diese Fragen zu beantworten, stellte das Projektteam den in der Bedarfserhebung befragten Unternehmen in einer „Roadshow“ ihre Ergebnisse vor – und präsentierte anschließend das neue Fortbildungsangebot. Darüber hinaus startete das Projekt eine Kaltakquise bei weiteren Unternehmen. „Gerade die, die noch gar nichts von unserem Fortbildungsangebot wussten, waren am meisten interessiert“, sagt Franziska Müller.

Ihr Kollege Moritz Renner ergänzt: „Wir haben nicht nur die Ausbilderinnen und Ausbilder und Personalleitungen angesprochen, sondern auch die Auszubildenden in den Berufsschulklassen. Für die Bildungsentscheidung sind Azubi und Betrieb gleichermaßen wichtig.“ Für die Zukunft will das Projektteam weiter auf informelle Beratung im Betrieb setzen, etwa durch Personalentwickler, Vorarbeiter, Meister und Ausbilder.

Eine neue Marke aufbauen

Die Überzeugungsarbeit hat sich jedenfalls gelohnt: 32 Teilnehmende, 15 in Bayreuth und 17 in Nürnberg, konnte das Projekt gewinnen. „Die Zahl ist super für so ein experimentelles Format. Das ist nicht zu klein und erlaubt uns eine gute Gruppenbildung“, freut sich Karl Wilbers. Er ist optimistisch, dass der neue Fortbildungsabschluss in einigen Jahren nicht mehr erklärungsbedürftig sein wird. Schließlich entwickelt eine ganze Reihe von InnoVET-Projekten Fortbildungen zum Geprüften Berufsspezialisten und baut so eine neue Marke mit auf.

Ein zweiter Durchlauf der Fortbildung startet im Mai 2023, die Erkenntnisse aus dem ersten Durchgang fließen hier mit ein. Auch der Transfer nach der Projektlaufzeit wird bereits vorbereitet: So könnte das Format für weitere Berufe wie Kaufleute für Büromanagement geöffnet werden und in Nürnberg könnten weitere Berufsschulen hinzukommen.

Diese InnoVET-Projekte entwickeln Fortbildungen zum/r „Geprüften Berufsspezialist/-in“

BexElektro

Geprüfte/r Berufsspezialist/-in für Elektromobilität Schwerpunkt Gebäudesystemintegration (GSI)

Geprüfte/r Berufsspezialist/-in für Elektromobilität Schwerpunkt Ladeinfrastruktur (LIS)

Geprüfte/r Berufsspezialist/-in für Elektromobilität Schwerpunkt Erneuerbare Energien (EEE)

BIRDGeprüfte/r Berufsspezialist/-in für Industrielle Transformation
CLOUGeprüfte/r Berufsspezialist/-in für industrielle Teilereinigung
Exzellenz HandwerkGeprüfte/r Berufsspezialist/-in Intelligente Gebäudetechnik und Systemvernetzung
KI B³Geprüfte/r Berufsspezialist/in für Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen (Arbeitstitel)
LBT ForwardGeprüfter Servicetechniker/in im Land- und Baumaschinenmechatronikerhandwerk als geprüfter Berufsspezialist (Arbeitstitel)
UpTrainGeprüfte/r Berufsspezialist/-in für Elektronik Mobilität

Mehr Informationen

  • Einen Überblick über das InnoVET-Projekt „BIRD“ bietet das Projektprofil.
  • Ausführliche Informationen zum Projekt und zum „Geprüfte/r Berufsspezialist/in für Industrielle Transformation“ gibt es unter bird-weiterbildung.de

Autor: Benjamin Dresen