„Die Herausforderungen sind drängend“ : Datum:
Das InnoVET-Projekt BIRD legt schon nach eineinhalb Jahren Laufzeit die 346 Seiten starke Publikation „Durchlässigkeit und industrielle Transformation auf dem DQR-Niveau 5 gestalten“ vor. Herausgeber und Projektleiter Prof. Dr. Karl Wilbers erklärt, warum jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist und was die wichtigsten Ergebnisse sind.
Inno-vet.de: Herr Prof. Wilbers, was ist das Thema Ihrer Publikation?
Prof. Karl Wilbers: Das Berufsbildungsgesetz ist das Grundgesetz der Berufsbildung. Der Gesetzgeber hat in der letzten Überarbeitung dieses Gesetzes die Weiterbildung neu strukturiert und die höherqualifizierende Berufsbildung eingeführt. Diese hat drei Stufen: Die erste: „Geprüfte/r Berufsspezialist/in“, die zweite „Bachelor Professional“ und die dritte „Master Professional“. Der zweiten und dritten Stufe lassen sich bewährte Abschlüsse zuordnen, im Handwerk beispielsweise „Meister/in“ der Stufe 6 und „Betriebswirt/in Handwerk“ der Stufe 7. Die Stufe 5 „Geprüfte/r Berufsspezialist/in“ ist hingegen sehr neu. Hier liegen wenig Erfahrungen vor. Außerdem zeigt ein Blick ins Ausland, dass diese Stufe für das bereichsübergreifende Zusammenspiel von beruflicher und akademischer Bildung sehr wichtig ist. Um genau dieses Zusammenspiel geht es bei unserem/r Geprüfte/r Berufsspezialist/in, und zwar für eine bestimmte Branche – die Industrie – und für eine besondere Herausforderung – die digitale Transformation.
Inno-vet.de: Warum veröffentlichen Sie schon jetzt einen 346 Seiten starken Sammelband – und nicht erst am Ende des Projekts?
Prof. Karl Wilbers: Der Sammelband verfolgt unser Konzept, mit dem Transfer von Erkenntnissen nicht erst am Ende der Projektlaufzeit zu beginnen, sondern Ergebnisse frühzeitig zu vervielfältigen und zur Diskussion zu stellen. Das ist gerade bei so dynamischen Themen wie „Berufsspezialist/in“ und „digitale Transformation“ notwendig. Die Herausforderungen sind so drängend, dass wir nicht erst nach Ende des Projekts anfangen können, den Transfer zu gestalten. Diskussionsimpulse sollte es daher frühzeitig geben.
Inno-vet.de: Was sind die wichtigsten Ergebnisse? Was haben Sie herausgefunden?
Prof. Karl Wilbers: Wir stellen dar, wie eine solche Fortbildung gebaut werden kann. Und zwar im Zusammenspiel von IHK-Fortbildung, universitärer und berufsschulischer Fortbildung. Zum Beispiel zeigen wir, wie diese verschiedenen Bildungsbereiche mit ganz unterschiedlichen Traditionen eine Fortbildung gemeinsam planen können. Wir stellen außerdem unsere Ergebnisse der Bedarfsanalyse zum Thema digitale Transformation in der Industrie vor. Und wir liefern Hilfen, wie die verschiedenen Fortbildungsstufen voneinander abgegrenzt werden können. Wir zeigen auch, wie Blended Learning lernortübergreifend mit agilen Projektmethoden gestaltet werden kann, wie das Bildungspersonal dafür qualifiziert werden kann und wie potentielle Teilnehmende bei ihrer Bildungsentscheidung unterstützt werden können. Dies alles stellen wir immer auch vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit von IHK, Hochschule und Berufsschule dar.
Inno-vet.de: Warum sollten andere Projekte und Institutionen den Band lesen? Was können sie daraus mitnehmen?
Prof. Karl Wilbers: Die neue Fortbildungsstufe „Geprüfte/r Berufsspezialist/in“ ist eine Chance. Sie muss zur Steigerung der Attraktivität der Berufsbildung genutzt werden. Das Werk kann auch für andere Branchen Hilfen bieten, die Fortbildungsstufen abzugrenzen oder wie Blended Learning lernortübergreifend gestaltet werden kann. Es bietet Unterstützung bei der Durchführung von Bedarfsanalysen und zur agilen Gestaltung von komplexen Bildungsprojekten.
Das Interview führte Benjamin Dresen.