Geprüfter Berufsspezialist: Dringend gebraucht – aber noch wenig bekannt : Datum:
Mehrere InnoVET-Projekte entwickeln Angebote für die neue erste Fortbildungsstufe, um die Durchlässigkeit in der Berufsbildung zu verbessern und spezialisierte Fachkräfte zu gewinnen. Doch längst nicht allen Beschäftigten und Unternehmen ist klar, wie wertvoll der Abschluss für sie sein kann.
Das ist eines der Ergebnisse zweier Fallstudien, die Dr. Nina-Madeleine Peitz und Prof. Dr. Hubert Ertl mit den InnoVET-Projekten BIRD und LBT Forward durchgeführt haben. Sie untersuchen darin, wie der 2020 mit dem novellierten Berufsbildungsgesetz eingeführte Abschluss „Geprüfter Berufsspezialist“ dazu beitragen kann, die Durchlässigkeit in der Berufsbildung zu verbessern. Mit Durchlässigkeit sind in diesem Fall sowohl formale Abschlüsse zum Übergang vom Berufsabschluss in die höhere Berufsbildung gemeint wie auch allgemeine flexible Lern- und Karrierewege.
Die doppelte Leerstelle füllen
„In den Interviews mit verschiedenen Projektbeteiligten zeigt sich in beiden Vorhaben, dass ein sehr deutlicher Bedarf für den Geprüften Berufsspezialist besteht“, berichtet Hubert Ertl. Es gelte „eine Leerstelle zu füllen“, wie es Interviewpartner im Projekt BIRD ausdrücken, und dies in doppelter Hinsicht: Einerseits werde durch die rasante technologische Entwicklung immer mehr Spezialwissen benötigt; andererseits begännen viele Fachkräfte aus Mangel an Alternativen eine zeitaufwändige Meisterfortbildung, obwohl sie keine Personalverantwortung übernehmen möchten oder es in ihrem Unternehmen gar keine passende Stelle dafür gibt.
Im Projekt LBT Forward ist der Abschluss fester Bestandteil eines neu konzipierten Berufslaufbahnkonzepts für die Landbautechnik. Hier spielt im Hinblick auf die Durchlässigkeit die Anrechenbarkeit auf den Meisterabschluss eine wichtige Rolle. Der Bedarf ist in den Unternehmen ebenfalls klar dadurch gegeben, dass Werkstätten Personal mit Spezialwissen benötigen, das anspruchsvolle Probleme an modernen Hightech-Maschinen lösen kann.
Der neue Abschluss ist also sehr gut geeignet, um Fachkräfte weiterzubilden, die dann im Hinblick auf die technologische Entwicklung der digitalen Transformation aktuell und passgenau qualifiziert sind – und das mit überschaubarem Kosten- und Zeitaufwand. InnoVET spielt eine wichtige Rolle bei der Einführung und Etablierung dieses Fortbildungsprofils: Bis zu 21 neue Angebote sind entweder bereits erprobt oder in Vorbereitung.
Meisterabschluss als Gradmesser
Beide Projekte sehen aber die Herausforderung, dass bei Beschäftigten und Unternehmen noch kaum bekannt ist, wie wertvoll der Abschluss für sie sein kann. „Wir haben einfach das Problem, dass das keine eingeführte Marke ist und wir gleichzeitig gegen starke Marken kämpfen“, heißt es etwa im Projekt BIRD. Der Aufbau eines Images für den neuen Abschluss sei notwendig, sagt auch das Projekt LBT Forward.
Schließlich steht er vermeintlich in direkter Konkurrenz zum bewährten und bekannten Meisterabschluss, der aus Sicht beider Projekte der Orientierungspunkt zur Einordung des Geprüften Berufsspezialisten ist. Ein „Verkaufsargument“ neben dem beruflichen Aufstieg ist aus Sicht beider Projekte das Erlangen beruflicher Exzellenz auf der DQR-Stufe 5 als erstrebenswertes und motivierendes Ziel.
Intensives Marketing nötig
Aus Sicht der Wissenschaftler sind aktive und intensive Marketingaktivitäten notwendig, um die neue Fortbildungsmöglichkeit zu etablieren. „Diese gilt es von den Projektbeteiligten gemeinschaftlich sowie über das Projektnetzwerk hinaus in Betrieben und beruflichen Schulen sowie insbesondere auch in bildungspolitischen Kreisen mit hohem Engagement zu vermitteln und zu verbreiten […].“
Dann könne der Geprüfte Berufsspezialist eine wichtige Stufe in Berufslaufbahnkonzepten sein und ein berufliches Spezialistenprofil, das für die Kompetenzentwicklung junger Erwachsener wie auch langjähriger Erwerbstätiger attraktiv ist. Darüber hinaus kann der Geprüfte Berufsspezialist die aus Arbeitsmarktsicht sinnvolle und benötigte Alternative zur Meisterfortbildung sein.
Ziel: Programm-Management-Konzept
Die Fallstudie ist der Anfang einer umfangreichen Untersuchung der BIBB-Begleitforschung mit weiteren Projekten zur Durchlässigkeit und zum Zusammenwirken von Forschungs- und Praxisakteuren am Beispiel des Geprüften Berufsspezialisten. Dabei geht es auch um Herausforderungen beim Transfer, etwa die Entwicklung eines gemeinsamen Transferverständnisses, die wechselseitige Kommunikation über Wissen und Ergebnisse zwischen den verschiedenen Bildungsbereichen (Stichwort: „Translation“) oder die Entwicklung eines Geschäftsmodells. Die Fallstudien werden im kommenden Jahr vertieft.
Aus den Ergebnissen sollen Gestaltungsprinzipien abgeleitet und Empfehlungen formuliert werden, was den Transfer von Innovationen fördert. „Wir wollen herausfinden: Was können wir lernen aus den Erfahrungen der Akteure für zukünftige Programme?“, erklärt Nina-Madeleine Peitz. Ziel ist es, am Ende ein Programmmanagement-Konzept zu entwickeln, mit dem die Wirksamkeit von Förderprogrammen verbessert werden kann. Dazu erprobt die Forschungsbegleitung verschiedene Maßnahmen. Ein Beispiel hierfür ist der Workshop mit 11 Projekten bei den Hochschultagen für Berufliche Bildung in Bamberg im März 2023, der Austausch und Vernetzung förderte.