Pioniere der Verkehrs- und Energiewende : Datum:
Das Elektro-Handwerk betritt auf dem Weg zu nachhaltiger Mobilität und Energie vielfach Neuland: Gefragt sind smarte Gebäude, die Strom erzeugen und für das E-Auto bereitstellen – und Fachkräfte, die dafür Lösungen finden. Das InnoVET-Projekt „BexElektro“ geht bei diesem Thema mit seiner neuen Fortbildung voran und stärkt zugleich Attraktivität und Gleichwertigkeit der beruflichen Aus- und Weiterbildung.
Bisher galt: Gebäude verbrauchen Energie, Sprit fürs Auto gibt’s an der Tankstelle.
In Zukunft gilt: Ein Gebäude ist ein System, in dem Erzeuger und Verbraucher erneuerbarer Energie und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität verzahnt werden: Die Photovoltaikanlage produziert Strom, der
a) die Batterie des Elektroautos lädt,
b) in einen Energiespeicher fließt,
c) die elektrischen Geräte antreibt,
d) über die Wärmepumpe heizt oder
e) ins Stromnetz eingespeist wird.
Und je größer das Gebäude, desto anspruchsvoller die Planung. Willkommen in der neuen Komplexität der Verkehrs- und Energiewende!
Damit solch komplexe Energiesysteme funktionieren, braucht das Elektro-Handwerk Fachkräfte, die den Überblick behalten, die den Energiebedarf eines Gebäudes analysieren, eine dafür maßgeschneiderte digitale Planung erstellen und diese mit Handwerksbetrieben und Bauunternehmen Wirklichkeit werden lassen. Und dabei Wege finden, wo noch gar keine sind. Gefragt sind Pionierinnen und Pioniere der Verkehrs- und Energiewende!
Neues Angebot auf dritter Fortbildungsstufe
Das InnoVET-Projekt BexElektro geht bei diesem Thema voran und macht ab September die Teilnehmenden seiner neuen Fortbildung zum/zur „Geprüften Projektplaner/Geprüften Projektplanerin für Elektromobilität und nachhaltige Energiesysteme (Handwerkskammer Dresden)“ fit für diese wichtige Aufgabe. „Die Absolventen werden in der Lage sein, ganzheitliche Ladeinfrastrukturkonzepte unter Berücksichtigung der lokalen Energieversorgung zu planen und umzusetzen“, sagt Projektleiter Ronny Donath vom Elektrobildungs- und Technologiezentrum e. V. Dresden (kurz: EBZ).
Das Angebot auf der dritten Fortbildungsstufe richtet sich an Meister und Bachelor-Professional-Absolventinnen und -Absolventen aus dem Elektro-Handwerk. Darüber hinaus ist es interessant für Menschen, die Industriemeister Elektrotechnik und Mechatronik, Fachwirte, Staatlich geprüfte Techniker oder Absolventen von Fachhochschulen sind.
Im Projekt wurde dafür mit der zuständigen Stelle und der obersten Landesbehörde in Sachsen eine regionale Fortbildungs-Prüfungsregelung gemäß Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO) erlassen und bestätigt. Parallel prüft derzeit ein Gutachter, ob der Abschluss als Master Professional anerkannt werden kann. Damit wäre die Fortbildung eine der ersten in Deutschland, die diesen neuen Titel in die berufliche Praxis überführt.
Unternehmen wünschen sich Fachkräfte
Falk Pohnert, Geschäftsführer des Handwerksunternehmens Elektro Dresden-West mit über 160 Beschäftigten, beteiligt sich mit seinem Unternehmen an der Konzeption und Erprobung der Fortbildung. Bei ihm melden sich viele Bürgerinnen und Bürger, die bereits eine Solaranlage haben und diesen Strom nun in ihr Elektroauto laden oder zwischenspeichern möchten. Wohnungsgenossenschaften wollen in der Tiefgarage ihrer Mehrfamilienhäuser Ladesäulen anbieten. Mehrere seiner Mitarbeiter nehmen deshalb am Pilotdurchgang der Fortbildung teil. Er sagt:
Vorteile für das Handwerk: neue Leistungen und höhere Attraktivität
Das neue Angebot bringt für das Elektrohandwerk viele Vorteile: Handwerksbetriebe können so in Zukunft Planungsleistungen für komplexe Bau- und Sanierungsvorhaben erbringen, die bisher von Akademikerinnen und Akademikern in Ingenieurbüros übernommen wurden.
Die Fortbildung kann außerdem ein wichtiges Signal für Attraktivität und Gleichwertigkeit der beruflichen Aus- und Weiterbildung sein, findet Ronny Donath: „Wir zeigen Qualifizierungspfade auf, die zu einem vergleichbaren Kompetenzniveau wie ein akademischer Werdegang führen können. Damit haben wir super Argumente zu sagen: Entscheidet euch für eine Ausbildung im Handwerk!“ Für das Handwerk sei dies eine sehr wichtige Entwicklung, um Fachkräfte zu gewinnen, aufzubauen und zu halten.
Praxisnahe, hochwertige Lerninhalte
Die Fortbildung hat einen Gesamtlernumfang von ca. 1.600 Stunden, davon werden 800 Stunden in Präsenz unterrichtet und weitere ca. 800 Stunden finden im Selbstlernen und als betriebliche Projektarbeiten statt. Um die Teilnehmenden mit unterschiedlichen Vorkenntnissen auf ein gemeinsames Level zu bringen, startet der Kurs mit einem Basismodul. Hier geht es um Planungstools und den Umgang mit Planungssoftware für Gebäudetechnik, die Photovoltaik-Planung und -Simulation sowie die Dimensionierung von Niederspannungsanlagen.
In den Modulen 1 und 2 stehen dann Rahmenbedingungen auf dem Lehrplan: Die Teilnehmenden lernen die Rechtsgrundlagen und die aktuellen technischen Entwicklungen und Trends zu Elektromobilität und Gebäudeenergiesystemen kennen. Weitere Themen sind Unternehmensgründung, Mitarbeiter- und Personalführung, Marketing sowie die rechtlichen Vorgaben zur Fachplanung elektrischer Anlagen.
Anschließend vermitteln die Module 3 und 4 die wichtigen Fachinhalte der Fortbildung: In Modul 3 steht im Mittelpunkt, wie Ladeinfrastruktur für Elektromobilität rechtssicher errichtet und ein Lade- und Lastmanagement geplant wird. Anschließend lernen die Teilnehmenden in Modul 4, wie sie integrierte, ganzheitliche Gebäudeenergiekonzepte erstellen. Hier geht es um das gesamte Energiesystem eines Hauses mit Erzeugern und Speichern erneuerbarer Energien. „Die Stärke dieser Fortbildung liegt auf der technischen Seite: Die komplette Planung, Beratung und Koordination kommt aus einer Hand vom Fachmann“, betont Jens Köster, Geschäftsführer am EBZ.
Die optimale Lösung simulieren
Um möglichst konkret und realitätsnah zu unterrichten, stellen Elektro Dresden-West und die Projektpartner für diese Module reale Beispiele aus der Praxis bereit: etwa einen Gewerbebetrieb mit Solar-Carport, ein Mehrfamilienhaus mit mehreren Ladepunkten in der Tiefgarage (das als VR-Szenario aufbereitet wird) oder ein ganzes Quartier mit vier Mehrfamilienhäusern und großer Tiefgarage. „Die Teilnehmenden erstellen mit einem Planungstool am Computer jeweils ein Modell und simulieren, wie der Strom in die Mobilität und Wärmeerzeugung kommt. Die optimale Lösung geht dann in die Fachplanung und wird mit einem BIM-Tool umgesetzt“, erklärt Frank Lehmann vom EBZ. Am Ende der Fortbildung erarbeiten die Teilnehmenden die elektrotechnische Fachplanung zu einem selbst gewählten Thema aus ihrem Unternehmen. Sie erstellen dabei die komplette Ausschreibung, die von der Analyse und Vorplanung über die Angebotserstellung bis zur Übergabe an den Kunden reicht.
In Modul 5 können Teilnehmende die Befähigung zur fachgerechten Projektierung, Planung, Prüfung und Inbetriebnahme elektrischer Anlagen erlangen, um bei der Umsetzung der Planungslösung auch praktisch aktiv werden zu dürfen. Sie können damit (nach Prüfung vor dem Landes-Installateurausschuss) Tätigkeiten übernehmen, die sonst nur speziell befähigte Meisterinnen und Meister ausführen dürfen, und werden ins „Installateurverzeichnis Strom“ des örtlichen Netzbetreibers aufgenommen.
Dynamisches Thema und vielfältige Tätigkeitsfelder
Da sich das Themenfeld dynamisch entwickelt, ist es wichtig, dass die Lerninhalte auf dem aktuellen Stand bleiben. Dafür gibt es im Projekt „BexElektro“ das Team „Marktbeobachtung und Trendanalyse“, das das Internet mit dafür entwickelten Webcrawlern nach neuen wichtigen Themen durchsucht. Anschließend werden die Marktentwicklungen analysiert, um festzustellen, ob es Bedarf für neue Bildungsangebote gibt, und in verschiedenen Gremien bewertet. Technologische Neuerungen bringen die Dozierenden über Mikrolerneinheiten zusätzlich zum Rahmenlehrplan in die Fortbildung ein. Zugleich teilen die Teilnehmenden ihre eigenen Erfahrungen aus der Praxis mit dem Kurs.
Die Absolventinnen und Absolventen der Fortbildung sind mit ihrem Wissen und ihren Kompetenzen in der Lage, verschiedenste Aufgaben zu übernehmen: Sie nehmen in einem Handwerksbetrieb eine Position zwischen Meisterin oder Meister und Geschäftsführung ein, sie dürfen sich mit einem eigenen Planungsbüro selbstständig machen oder in einem Ingenieurbüro arbeiten. Oder sie übernehmen etwa in städtischen Einrichtungen die Funktion eines Elektrofachplaners oder treiben das Thema in einem größeren Unternehmen voran.
Profitieren wird am Ende nicht nur das Handwerk – sondern auch die Bürgerinnen und Bürger: Von praxisnahen Elektroplanerinnen und -planern, die für eine erfolgreiche Verkehrs- und Energiewende dringend gebraucht werden.
Autor: Benjamin Dresen