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Bildungsweg-Coaching: Selbstbewusst durch die Studienintegrierende Ausbildung : Datum:

In der Studienintegrierenden Ausbildung sammeln junge Menschen Erfahrungen in Ausbildung und Studium und entscheiden dann, welchen Weg sie weitergehen möchten. Das Bildungsweg-Coaching des InnoVET-Projekts „tQM“ unterstützt sie dabei, sich für die beste Option zu entscheiden.

Junge Frau und junger Mann schauen in Buch.
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Eine Berufsausbildung, kombiniert mit einem passenden Bachelor-Studiengang. Zwei Abschlüsse in vier Jahren. Die Chance, Betrieb, Berufs- und Hochschule kennenzulernen und sich danach für den richtigen Weg zu entscheiden. Die Studienintegrierende Ausbildung (SiA) bietet jungen Menschen eine attraktive Karriereoption – aber auch Herausforderungen:

Denn es gilt, einen anspruchsvollen Bildungsgang mit drei Lernorten und erhöhtem Lernpensum erfolgreich abzuschließen. Und den eigenen Karriereweg in der SiA bewusst zu gestalten. Das Besondere an der SiA ist: Die Auszubildenden starten mit Ausbildung und Studium parallel, lernen beide Bildungsgänge kennen und können nach spätestens 18 Monaten entscheiden, ob sie beide fortführen oder sich auf einen konzentrieren möchten. Im Idealfall haben sie nach vier Jahren einen Ausbildungs- und einen Bachelor-Abschluss in der Tasche.

Qualitätsmerkmal Bildungsweg-Coaching

Damit die Lernenden dabei nicht allein gelassen werden, entwickelt und erprobt das InnoVET-Projekt „tQM“ für die SiA in Hamburg das Bildungsweg-Coaching. „Schaffe ich beide Abschlüsse? Will ich mich lieber auf die Ausbildung konzentrieren oder möchte ich das Studium weiterführen? Entwickle ich die Kompetenzen, die mir wichtig sind? Vor diesen Fragen können die Lernenden stehen“, sagt Projektkoordinator Dietmar Kleb und betont: „Das Bildungsweg-Coaching unterstützt und stärkt die Lernenden und ist ein Qualitätsmerkmal der Studienintegrierenden Ausbildung.“

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Dietmar Kleb
Dietmar Kleb, Projektkoordinator

„Das Bildungsweg-Coaching unterstützt und stärkt die Lernenden und ist ein Qualitätsmerkmal der Studienintegrierenden Ausbildung.“

Die Studienintegrierende Ausbildung ist in Hamburg zum Wintersemester 2021/22 mit 100 Auszubildenden und zugleich Studierenden in mehr als 50 Unternehmen und fünf Bildungsgängen gestartet: Industriekaufleute mit BWL – Industrielles Management (B.A.), Kaufleute für Marketingkommunikation mit BWL – Marketing und Kommunikationswirtschaft (B.A.), Bankkaufleute mit BWL – Bank- und Finanzwirtschaft (B.A.), Fachinformatik mit Informatik (B.Sc.) und Handwerkliche und gewerblich-technische Berufe mit BWL – Management von kleinen und mittleren Unternehmen (B.A.). Die Berufliche Hochschule Hamburg (BHH) wurde 2020 eigens für die Durchführung der SiA als staatliche Hochschule gegründet.

Für dieses neue Bildungsangebot muss viel Pionierarbeit geleistet, müssen Konzepte entwickelt und Strukturen aufgebaut werden. Das Ziel des gesamten InnoVET-Projekts „tQM“ (= triales Qualitätsmanagement) ist es, dafür zu sorgen, dass alle Zahnräder des Bildungsangebots ineinandergreifen und die SiA in Hamburg zu einer gut geölten Maschine wird: Neben dem Bildungsweg-Coaching unterstützt das Projekt unter anderem die Verzahnung der Lehrpläne an den Lernorten Berufsschule und BHH und die Abstimmung der Prüfungen. Die BHH und das Hamburger Institut für berufliche Bildung (HIBB), das für die Berufsschulen zuständig ist, arbeiten dabei im Projekt eng zusammen.

Persönliche Kompetenzen und Stärken aufdecken

Um die Lernenden in der SiA zu begleiten, hat das Projekt tQM mit den beteiligten Berufsschulen und der BHH das Konzept für das Bildungsweg-Coaching erarbeitet. Zwischen zwei und vier Bildungsweg-Coaches stehen den Lernenden pro Berufsschule zur Seite. Die Teams setzen sich aus Lehrkräften der Berufsschulen und den Wissenschaftlichen Mitarbeitenden aus dem Projekt zusammen. Die Coaches unterstützen die Lernenden darin, sich ihre Erfahrungen in Ausbildung und Studium bewusst zu machen und zu bewerten, was diese für ihren Bildungsweg bedeuten. Das Coaching geht aber noch weiter: „Für den Entscheidungsprozess ist das Aufdecken der persönlichen Kompetenzen und Stärken wichtig“, erklärt Simone Wieting, Lehrerin an der Beruflichen Schule für Banken, Versicherungen und Recht (BS 11). Denn wer sich selbst kennt, der weiß was er kann, was er erreichen möchte und welcher Bildungsweg dafür am besten passt.

Das Coaching setzt einige Monate nach Start des Ausbildungsjahres ein, wenn die Lernenden Kontakt zu allen drei Lernorten Betrieb, Berufsschule und Hochschule hatten. Es beginnt mit einer Einführungsveranstaltung an der jeweiligen Berufsschule, bei der das Coaching-Konzept vorgestellt wird. „Die Lernenden waren überrascht, dass es dieses Unterstützungsangebot gibt und haben es dankend angenommen“, berichtet Coach Patrick Best, der ebenfalls an der BS 11 tätig ist.

Coaching-Prozess beginnt frühzeitig

Diagramm Bildungsweg-Coaching
So läuft der Coaching-Prozess für die ersten SiA-Azubis ab. BC = Bildungsweg-Coaching, BHH = Berufliche Hochschule Hamburg, RI = Reflexionsimpuls, tCB = triales Coaching und Beratung Copyright: Knauf / Hanns 2022

Die Einführungsveranstaltung bietet mehr als reine Information: Der Reflexionsprozess, das Nachdenken über den eigenen Bildungsweg beginnt für die SiA-Azubis hier. „Die Lernenden sollten das Bildungsweg-Coaching erleben können und Anlässe und Methoden zum Nachdenken bekommen“, berichtet Coachin Steffani Studt von ihrer Einführungsveranstaltung an der Beruflichen Schule für Medien und Kommunikation (BS 17). „Was hat euch vorangebracht auf dem Bildungsweg? Wie habt ihr es geschafft als SiA-Azubis hier hin zu kommen?“ Die Antworten darauf stellten sich die Teilnehmenden in Partnergesprächen vor. „Das waren tiefgehende und sehr offene Gespräche“, erzählt Studt und schildert ihren Eindruck der Feedback-Runde: „Den Aspekt der Stärkung, den haben sie wahrgenommen. Da habe ich gedacht: Wow, genau das, was ich erreichen wollte.“

Nach der Einführungsveranstaltung finden mindestens zwei Beratungsgespräche bis zur finalen Bildungsweg-Entscheidung nach spätestens eineinhalb Jahren zwischen den Coaches und den Auszubildenden statt. Die Gespräche sind selbstverständlich vertraulich. Neben den Beratungsgesprächen geben die Coaches den Auszubildenden sogenannte „Reflektionsimpulse“. Diese regen etwa dazu an, sich mit den Besonderheiten von Studium und Ausbildung in der SiA auseinander zu setzen. Sie können aber auch die Selbstwirksamkeit der SiA-Studierenden in den Fokus rücken oder Fragen zu den beruflichen Zielen stellen.

„Meine Idealvorstellung für das Coaching-Gespräch ist, dass ich schaue, wo steht der Einzelne, wie ist seine individuelle Situation, die für dieses Gespräch interessant ist. Wenn der Studierende ein konkretes Anliegen hat, steht das im Fokus. Wenn ich keinen Input erhalte, schauen wir auf die Erfahrungen an den einzelnen Lernorten und kommen so zu interessanten Aspekten“, erzählt Steffani Studt. Ihre Kollegin Simone Wieting fasst zusammen: „In den Gesprächen lernen die Auszubildenden zu reflektieren und sich ihrer Stärken und Kompetenzen bewusst zu werden.“

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Simone Wieting
Simone Wieting, Bildungsweg-Coachin

„In den Gesprächen lernen die Auszubildenden zu reflektieren und sich ihrer Stärken und Kompetenzen bewusst zu werden.“

Junge Leute gestärkt durch die SiA bringen

Grundsätzlich ist das Bildungsweg-Coaching ergebnisoffen und soll die Lernenden befähigen, die für sie individuell beste Entscheidung zu treffen. Steffani Studt sagt aber auch: „Wir wollen die Leute gestärkt durch diese tolle SiA-Ausbildung bringen und verhindern, dass sie wegen Problemen abbrechen, die wir gemeinsam lösen können. Wir arbeiten im Interesse der Ausbildungsbetriebe, die die Auszubildenden gesucht haben und gern in ihrem Unternehmen halten wollen.“

Zusätzliche Beratungstermine sind jederzeit möglich, wenn es bei den Lernenden Gesprächsbedarf gibt. Zwar haben die Coaches grundsätzlich ein offenes Ohr für die Lernenden. Das heißt aber nicht, dass sie alle Themen allein abdecken. Bei Problemen etwa beim Lernen oder mit Prüfungen verweisen sie an die versierten Beratungsangebote der Berufsschulen oder der Hochschule.

Das Projekt tQM hofft über das Coaching auch generelle Hinweise zu bekommen, um das neu geschaffene Bildungsangebot zu verbessern: „Wie funktioniert die Verzahnung der Lernorte? Wie sieht der Workload für die Lernenden aus? Das Coaching kann in der Startphase der SiA in Hamburg auch als eine weitere Antenne dienen, über die wir empfangen, wo die Knackpunkte für die Studierenden sind“, sagt Projektkoordinator Dietmar Kleb. Zur Erinnerung: Im Moment läuft in Hamburg das erste SiA-Studienjahr überhaupt, viele Elemente des Bildungsangebotes mussten neu geschaffen werden. Da muss sich Einiges noch einspielen.

Coaching-Bedarf wird wachsen – Startschuss für den Transfer

Sicher ist bereits: Der Coaching-Bedarf wird wachsen. Perspektivisch sollen 1000 Studierende im Regelbetrieb an der BHH eingeschrieben werden, verteilt über vier Jahrgänge. Damit steigt natürlich auch der Personalbedarf für das Coaching: „Wir planen frühzeitig die dafür notwendigen personellen Ressourcen und binden die Lehrkräfte so früh wie möglich in die konzeptionellen Überlegungen ein“, sagt Dietmar Kleb. Der „Qualitätszirkel“ mit Vertreterinnen und Vertretern aller beteiligten Institutionen arbeitet daran, das Coaching-Angebot kontinuierlich zu verbessern. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung aus Interviews mit Coaches und Lernenden fließen auch hier ein.

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Steffani Studt
Steffani Studt, Bildungsweg-Coachin

„Keiner kann sagen, was die Kernkompetenzen in zehn oder 20 Jahren sein werden. Was man definitiv sagen kann, ist: Wir brauchen starke Persönlichkeiten, die sich ihrer Fähigkeiten bewusst sind.“

Das Coaching-Konzept und die Ergebnisse der anderen Teilprojekte sollen aber auch über Hamburg hinaus Wirkung entfalten. Dafür hat tQM unter anderem Kontakte geknüpft zu den InnoVET-Projekten SiA-NRW und BBChemie, die das Konzept der Studienintegrierenden Ausbildung bzw. ein eigenes Modell mit Coaching-Anteilen ebenfalls erproben. „Wir schauen, wie bestimmte Synergien beim Transfer von Ergebnissen und Erfahrungen der Projekte hergestellt und übertragen werden können. Es besteht ein großes Interesse aller Seiten, eng zusammenzuarbeiten“, berichtet Dietmar Kleb.

Der erfolgreiche Transfer ist den Projekten auf jeden Fall zu wünschen: damit die Studienintegrierende Ausbildung die berufliche Bildung in Deutschland bereichert – und das Bildungsweg-Coaching viele gestärkte junge Menschen hervorbringt. Denn für Coachin Steffani Studt ist klar: „Keiner kann sagen, was die Kernkompetenzen in zehn oder 20 Jahren sein werden. Was man definitiv sagen kann, ist: Wir brauchen starke Persönlichkeiten, die sich ihrer Fähigkeiten bewusst sind.“

Autor: Benjamin Dresen