Wie Innovationen die Berufsbildung verändern : Datum:
Neues entsteht, wo Ausbildung, berufliche Weiterbildung und Hochschulbildung aufeinandertreffen und gemeinsam Bildungsprodukte entwickeln: Welche Merkmale zeichnen diese Innovationen aus? Wie verändern sie die Strukturen des Bildungssystems? Machen sie die Berufsausbildung für junge Menschen wirklich attraktiver? Welche neuen Anforderungen stellen sie an das Lehrpersonal? Das Team der InnoVET-Begleitforschung an der Universität Magdeburg möchte das herausfinden.
Innovationen sind wichtig, um die Berufsbildung voranzubringen. Aber genauso wichtig ist, sie zu verbreiten, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen. Damit das gelingt, nimmt die in diesem Jahr gestartete InnoVET-Begleitforschung die innovativen Bildungsprodukte der Projekte unter die Lupe und prüft, welche Ansätze und Merkmale verstetigt und in andere Bundesländer, Branchen und Berufe transferiert werden sollten.
Eines hat die Mehrheit der InnoVET-Projekte gemeinsam: Zur Förderung der Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung entwickeln sie neue Bildungsprodukte für gewerblich-technische Berufe, etwa Fortbildungen auf unterschiedlichen Niveaustufen oder hybride Bildungsangebote aus Ausbildung und Studium. Das Team der Begleitforschung an der Universität Magdeburg „GInnoVET“ nimmt vor diesem Hintergrund diese InnoVET-Projekte in den Blick und analysiert, was Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser neuen Bildungsprodukte sind und wie sie das Verhältnis zwischen beruflicher und akademischer Bildung ausgestalten.
Wie sehen die Bildungsprodukte der Zukunft aus?
„Wir schauen: Was wird innoviert? Wie sieht das Bildungsprodukt aus? Wie ist es aufgebaut und strukturiert?“, erklärt Prof. Dr. Dina Kuhlee. Das Ziel dahinter: Das Forscherteam will herausfinden, welche der Ideen und Lösungsansätze langfristig genutzt werden können, um das Berufsbildungssystem weiterzuentwickeln und welche Merkmale der Bildungsprodukte auf kaufmännische oder pflegerische Berufe übertragen werden können.
Dabei schauen die Forscherinnen und Forscher einerseits, wie die Bildungsangebote gestaltet sind. Dazu zählt zum Beispiel ein modularer Aufbau, der Zeitumfang, die Zulassungsvoraussetzungen oder Anrechnungsmöglichkeiten für weitere Fortbildungen oder ein Studium. Und andererseits nehmen die Forschenden in den Blick, wie die beteiligten Akteure bei der Gestaltung des Lehrplanes, der praktischen Durchführung oder den Prüfungen zusammenarbeiten und wie diese Zusammenarbeit rechtlich ausgestaltet wird.
Unterschiedliche Bildungsbereiche treffen aufeinander
Das ist spannend, weil hier drei sehr unterschiedliche Bildungsbereiche aufeinandertreffen und kooperieren: Die stark reglementierte berufliche Erstausbildung mit ihren Ordnungsmitteln und Regeln zur Interaktion der Sozialpartner auf Bundes- und Landesebene; die Hochschulen mit eigenem Rechtsrahmen auf Landesebene zur Gestaltung von Studiengängen und Entscheidungsprozessen; der marktorientierte, wenig reglementierte Weiterbildungsbereich. Die Begleitforschung möchte herausfinden, welche Lösungen die Projekte für die gemeinsamen Bildungsprodukte der drei verschiedenen Bereiche finden.
Diese Zusammenarbeit wird außerdem die Bildungsbereiche verändern – davon ist das Forscherteam überzeugt. „Was passiert strukturell und systemisch, wenn wir Bildungsprodukte schaffen, die zwischen den Sektoren des Bildungssystems verortet sind und nicht mehr den Rahmenbedingungen eines einzelnen Sektors folgen?“, fragt Dina Kuhlee. Wird die Weiterbildung stärker strukturiert sein? Was passiert in der Hochschule, wenn es zur Kooperation mit der beruflichen Bildung kommt? Wie werden berufliche Schulen eingebunden? Hier wird es spannend sein zu sehen, in welche Richtung die Entwicklung geht.
Machen innovative Bildungsprodukte die berufliche Bildung für junge Menschen attraktiver?
Veränderung durch Innovationen erwartet das Forscherteam aber auch in ganz anderen Bereichen: Besonders interessant ist die Frage, ob und wie die Bildungsprodukte die berufliche Bildung für junge Menschen attraktiver machen. Schließlich ist dies eines der Hauptziele von InnoVET. Die Sicht der Unternehmen ist in den Konzepten der Projekte häufig bereits berücksichtigt. Jetzt kommt die Perspektive der „Nachfragenden“ hinzu. Auszubildende wie auch Studierende werden dafür über Fragebögen im Rahmen einer Studie befragt. „Sind die Bildungsangebote aus Sicht leistungsstarker Jugendlicher wirklich attraktiv?“, fragt Dina Kuhlee. Betrachtet wird auch, ob sich die Jugendlichen aufgrund der Merkmale der neuen Bildungsprodukte für einen anderen Bildungsweg entscheiden würden.
Die Untersuchung soll Erkenntnisse liefern, wie Angebote gestaltet sein müssen, damit sie für die Zielgruppe attraktiv sind. Bewertet werden nicht die Projekte, sondern Merkmale von Bildungsangeboten wie etwa Modulstrukturen, Anrechnungsmöglichkeiten oder mögliche Karriereoptionen. Auch hier geht es darum, übertragbare Erkenntnisse zur Attraktivitätssteigerung zu gewinnen.
Die Übertragbarkeit spielt auch bei einer weiteren Forschungsfrage eine Rolle – nämlich welche der Innovationsansätze in kaufmännischen Berufen und personenbezogenen Dienstleistungen zum Einsatz kommen könnten. Während erstere noch eher vergleichbare Regelungsstrukturen aufweisen, sind die Gesundheitsberufe mit teils vollzeitschulischen Ausbildungen anders strukturiert. Expertenworkshops sollen hier Antworten liefern.
Und zuletzt verändern die Bildungsprodukte auch das Verhältnis zwischen beruflicher und akademischer Bildung und damit die Anforderungen an das Berufsbildungspersonal. „Was verändert sich, wenn Lehrkräfte in Zukunft Unterrichtsinhalte auf höheren Niveaustufen vermitteln sollen? Trauen sie sich das zu – oder brauchen sie in bestimmten Bereichen Unterstützung?“, erklärt Dr. Marion Pohl. Es gilt herauszufinden, wie sich die neuen und teils hybriden Bildungsangebote auf die professionelle Handlungskompetenz der Lehrkräfte auswirken. Hier vergleicht das GInnoVET-Team, welche Anforderungen einerseits von den InnoVET-Projekten bereits berücksichtigt und andererseits von betrieblichen Ausbilderinnen und Ausbildern sowie Berufsschullehrkräften darüber hinaus benannt werden.
Forscherteam stellt Handlungsempfehlungen für die Bildungspolitik vor
Aus den Forschungsfragen und Erkenntnissen sollen Handlungsempfehlungen für die Bildungspolitik entstehen, wie Innovations- und Transferprozesse in der Breite der beruflichen Bildung gefördert werden können. Diese stellen die Forscherinnen und Forscher in Expertenrunden der Bildungspolitik vor. „Wir wollen aufzeigen, welche Gestaltungsmerkmale aus den Ansätzen der InnoVET-Projekte zielführend sind, systematisch in die Breite des Bildungssystems übertragen und langfristig weiterverfolgt werden sollten“, erklärt Dina Kuhlee. Hier geht es auch darum, in welche Richtung zukünftige Projekte orientiert sein sollten, um mit Innovationen die Berufsbildung voranzubringen.
Autor: Benjamin Dresen