Sicher, nachhaltig und zeitgemäß: So sollen Prüfungen im Handwerk in Zukunft ablaufen können. Das InnoVET-Projekt „ProNet Handwerk“ legt mit seiner Prüfungssoftware dafür den Grundstein. Von der Aufgabenentwicklung über die Durchführung bis zur Auswertung kann der Prüfungsprozess zukünftig digital abgebildet werden. Schriftliche und mündlich-praktische Prüfungen im Handwerk lassen sich bald mit dem Tablet durchführen.

Einzelnen Handwerksorganisationen bieten digital gestützte Prüfungen bereits seit einigen Jahren viele Vorteile. Das Projekt „ProNet Handwerk“ will nun bundesweit den Prüfungsprozess verschlanken, effizienter gestalten und vereinfachen und bietet allen Handwerksberufen die Möglichkeit, schrittweise auf digitales Prüfen umzusteigen. Prüfungsverantwortliche und Prüflinge gleichermaßen sollen davon profitieren.

Anforderung: „stabil und intuitiv“

Das Ziel ist es, eine Prüfungssoftware zu entwickeln, die auf die Anforderungen des Handwerks zugeschnitten ist. „Die Prüfungsverantwortlichen wünschen sich ein stabiles Prüfungssystem mit intuitiver Benutzeroberfläche“, berichtet Projektreferentin Stefanie Leu von der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH). Außerdem sollen Schnittstellen zur vorhandenen Verwaltungssoftware bereitgestellt werden.

Bislang finden schriftliche Prüfungen meist klassisch auf Papierbögen statt und auch mündlich-praktische Prüfungen werden auf Papier dokumentiert. Die Ausdrucke sind materialaufwendig und kosten Geld, müssen von Prüferin zu Prüfer weitergereicht werden, können verloren gehen oder unleserlich ausgefüllt sein und müssen am Ende archiviert werden. All das soll mit der Prüfungssoftware Geschichte sein.

Weiterentwicklung einer Prüfungssoftware für das Handwerk

Auf dem Weg zu digitalen Prüfungen geht das InnoVET-Projekt – typisch Handwerk – pragmatisch vor. „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wir müssen es weiterentwickeln und anpassen“, sagt Stefanie Leu.

Die Grundlage für die Prüfungssoftware bilden daher die Prüfungstools vom Umbrella Consortium for Assessment Networks (UCAN). Die UCAN-Tools werden bereits viele Jahre in Medizinprüfungen eingesetzt. Die Prüfungen im Handwerk sind ähnlich komplex wie in der Medizin – sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf Prüfungsprozesse. Im Projekt werden aktuell drei Prüfungstools für das Handwerk angepasst: ein Autorentool für handwerksspezifische Aufgabentypen, ein Tool, mit dem schriftliche Prüfungen am Tablet absolviert werden, sowie ein Tool, mit dem mündlich-praktische Prüfungen abgenommen und bewertet werden können.

Erleichterung für Prüferinnen und Prüfer

Die Einführung der neuen Prüfungssoftware führt langfristig zu einer enormen Zeit- und Ressourceneinsparung. Für Prüfende, Verwaltung und Prüflinge bietet sie zahlreiche Vorteile:

• Prüfungsaufgaben können kollaborativ von mehreren Prüferinnen und Prüfern erstellt werden. Die Aufgaben lassen sich mit standardisierten Qualitätskriterien auf Inhalte und Formalien überprüfen. Auch digitale Medien können in die Aufgaben mit eingebunden werden.
• Prüfungen lassen sich schnell aus eigenen Prüfungsaufgaben zusammensetzen und mit Prüfungsaufgaben anderer Kolleginnen und Kollegen aus einem gemeinsamen Aufgabenpool ergänzen.
• Automatisierte Auswertungen sind für gebundene Aufgaben wie Multiple Choice unkompliziert möglich. Ungebundene Aufgaben wie Freitextaufgaben können durch das Prüfungspersonal unabhängig von Ort und Zeit bewertet werden.
• Nach der Prüfung ist eine statistische Auswertung der Ergebnisse möglich. Somit können Rückschlüsse auf die Qualität der Aufgaben gezogen werden.

Wichtigste Vorteile: Ausfallsicherheit und lückenlose Dokumentation

Hinzu kommen zwei weitere wichtige Vorteile der Prüfungssoftware: die Ausfallsicherheit und die lückenlose Dokumentation von Prüfungen. Unterbrechungen der Internetverbindung sind für die UCAN-Tools kein Problem. Bei einem Internetausfall läuft die Prüfung planmäßig weiter und kann im Offline-Modus fortgesetzt und beendet werden. Sobald wieder eine Internetverbindung besteht, werden die regelmäßig gespeicherten Daten im Hintergrund automatisch mit dem Server synchronisiert. Signierte Videos, die sich aus einzelnen Screenshots zusammensetzen, dokumentieren den Verlauf der gesamten Prüfung und können das Antwortverhalten und somit die Leistung des Prüflings eindeutig belegen.

Von der erfolgreichen Erprobung in den Praxiseinsatz

„ProNet Handwerk“ hat die Software im Juni und Juli 2022 an den Handwerkskammern Düsseldorf und Dortmund in schriftlichen und mündlich-praktischen Testprüfungen erfolgreich erprobt. Dozentin Ursula Lamprecht von der HWK Dortmund lobt: „Die Prüfungssoftware auf den Tablets ist bereits jetzt sehr anwenderfreundlich gestaltet.“ Das sahen auch die Prüflinge so: „Die Prüfung war sehr übersichtlich und unkompliziert. Ich empfand sie als sehr angenehm“, lautete ein Feedback. Die Teilnehmenden konnten ihre Wünsche mitteilen und hilfreiche Anregungen zur Weiterentwicklung der Software geben. Ursula Lamprecht freut sich schon auf den Einsatz der Software in der Praxis: „Die Digitalisierung der Prüfungen wird den Bewertungsaufwand für Prüfungen reduzieren, insbesondere bei stark frequentierten Abschlüssen wie z. B. Geprüfter Fachmann/Geprüfte Fachfrau (HwO).“

Der Einsatz der Prüfungssoftware unter Realbedingungen wird in den Teilprüfungen der Fortbildung zum Bachelor Professional erfolgen, die im Projekt aktuell entwickelt wird. Neben den Tools für Tablet-gestützte Prüfungen werden zukünftig auch Tools für desktopbasierte Prüfungen erprobt und angeboten.

Verfügbar für Handwerkskammern voraussichtlich ab Ende 2023

Den Mitgliedern der ZWH und damit allen Handwerkskammern in Deutschland sowie weiteren interessierten Handwerksorganisationen stehen die Tools für tabletgestützte Prüfungen voraussichtlich ab Ende 2023 zur Verfügung. „Handwerkskammern können bei Interesse auf die ZWH zugehen, die die Einführung der Software engmaschig begleiten wird“, sagt Projektleiterin Anke Hallwaß (ZWH). Damit alle Beteiligten die digitalen Tools erfolgreich nutzen können, entwickelt ProNet Handwerk Schulungen und Lernmaterial, die speziell darauf vorbereiten.

Autoren: Benjamin Dresen (BIBB) und Sabine Conrad (ZWH)