Lernen, so wie ich es will : Datum:
Der einzelne Mensch steht im Mittelpunkt und entscheidet, was, wann und wie er lernt: Das InnoVET-Projekt „SPERLE“ möchte das Personalisierte Lernen mit digitalen Medien in der beruflichen Bildung etablieren. Dafür braucht es nicht weniger als eine kleine Revolution.
Wie lernen Sie am besten? Lesen Sie einen Text? Hören Sie einen Podcast? Oder schauen Sie lieber ein Video an?
Diese Fragen beantwortet jede und jeder anders. Jeder Mensch bevorzugt andere Medien, lernt unterschiedlich schnell, hat andere Vorkenntnisse und Lernziele.
Und genau darum geht es beim Personalisierten Lernen: Der einzelne Mensch steht im Mittelpunkt, er entscheidet über seine Lernziele und erarbeitet diese selbstständig mithilfe einer Lehrperson. Die Fähigkeit, sich selbstgesteuert Wissen anzueignen, wird in einer schnelllebigen Arbeitswelt mit häufig wechselnden Aufgaben immer wichtiger.
In der beruflichen Bildung in Deutschland, insbesondere in Berufsschulen, KMU und der außerbetrieblichen Weiterbildung, spielt das Personalisierte Lernen mit digitalen Medien bisher eine untergeordnete Rolle. Das InnoVET-Projekt „SPERLE“ möchte das ändern und erprobt diese Lehr- und Lernpraxis in der Metallbranche in Hessen.
Ausbildung, Weiterbildung und Betriebe im Blick
Dabei setzt das Projekt an drei Stellschrauben an: Beim Lehr- und Ausbildungspersonal, beim Weiterbildungspersonal und bei den Fachkräften selbst. Für dieses ambitionierte Ziel haben sich drei erfahrene Partner zusammengeschlossen:
Die involas GmbH, das Institut für politische Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, möchte die zukunftsweisende Lernkultur in der Ausbildung etablieren und mit einer Workshop-Reihe Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Lehrkräfte aus dem Metallbereich für das Personalisierte Lernen mit digitalen Medien gewinnen. „Das Bildungspersonal muss den Raum für Personalisiertes Lernen schaffen“, sagt Dr. Petra Notz. Die Workshop-Teilnehmenden aus Betrieben und Berufsschulen erstellen selbst digitale Lernmaterialien oder Lernszenarios für ihre Auszubildenden und bauen so ihre eigenen Kompetenzen auf. Sie können diese anschließend auf einer Lernplattform einstellen und anderen verfügbar machen. Wenn viele Lehrkräfte und ausbildende Fachkräfte ihre erstellten Lernprodukte mit anderen teilen, entsteht ein Pool an digitalen Lehr-Lernsettings im Metallbereich, was die weitere Umsetzung erleichtert.
Ein Beispiel für den Einsatz in der Praxis: Mit einem Autorentool können die Bestandteile einer Maschine interaktiv dargestellt werden, und ein integriertes Erklärvideo vermittelt Grundlagen der Bedienung. Eingebaute Feedbackfragen sichern das Verständnis. Zusätzlich können die Bauteile der Maschine im Betrieb mit QR-Codes versehen werden. Diese werden mit Webinhalten zur Funktionsweise der Maschine verknüpft, die nach Bedarf jederzeit für die Auszubildenden abrufbar sind. Eine solche didaktische und mediale Aufbereitung können Lehrkräfte, Auszubildende und Betriebe in enger Zusammenarbeit gemeinsam entwickeln. Das Lehrpersonal baut so Kompetenzen auf, ebenso wie die Jugendlichen. Die involas-Workshops sind von der Hessischen Lehrkräfteakademie akkreditiert und als Fortbildungsangebot gelistet.
Weiterbildung Hessen e.V. nimmt Lehrpersonen der beruflichen Weiterbildung in den Blick: Damit möglichst viele Dozentinnen und Dozenten personalisierte Lernangebote mit digitalen Medien entwickeln können, bietet der Verein eine Basisfortbildung als Blended-Learning-Szenario an. Sie führt in die Methode ein, gibt Orientierung, vermittelt Mediendidaktik und Medienkompetenz und ermöglicht, digitale Tools auszuprobieren. „Wir wollen die Chancen von digitalen Lerninhalten aufzeigen und Vorbehalte abbauen“, sagt Dr. Rainer Behrend. Neben dem Basislehrgang sollen weitere vertiefende Angebote entstehen, etwa zu Lernplattformen, zur Videoerstellung und zu adaptiven Lernsettings.
Das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. (BWHW) möchte erreichen, dass das personalisierte Lernen mit digitalen Medien bei den Fachkräften in Metallberufen ankommt. „Es gibt einen großen Bedarf für flexibel abrufbare Wissensangebote“, sagt Dr. Angela Joost. Dafür entwickelt der Verein individuell über die Lernplattform Moodle abrufbare Lernmodule: Beim Thema Technisches Zeichnen werden etwa in einem interaktiven Schaubild Elemente einer Zeichnung per Text oder Video erklärt. Das Thema „Laterale Führung“ – wird als Blended-Learning Schulungsangebot „Führungsbasics für Metallfachkräfte mit Führungsaufgaben“ behandelt. Zielgruppe sind Facharbeiter, die als Gleiche unter Gleichen einen Montagetrupp führen. Die Schulung beinhaltet zwei Workshoptage mit Trainer sowie digitale Inhalte wie Selbsttests, Quiz und praktische Beispiele. Und auch zum Thema „Qualitätssicherung“ rund um Normierungen und Maße gibt es ein Lernangebot. Im nächsten Jahr folgen Lerneinheiten zu Mathematik und Physik.
Soll der Präsenzunterricht also abgeschafft werden? „Wir hoffen, dass flexibles, bedarfsgerechtes Lernen in der Branche Einzug hält. Das wäre für uns ein großer Erfolg“, sagt Dr. Angela Joost vom BWHW. „Unsere Vision ist, dass hybride Lehr-Lern-Settings in den Schulen entstehen, dass wir Impulse für eine neue Lernkultur des Personalisierten Lernens in Berufsschulen und Betrieben setzen und dass wir hierfür Multiplikatoren gewinnen können“, sagt Dr. Petra Notz von der involas GmbH. Und Dr. Rainer Behrend betont: „Präsenzunterricht und Gruppenlernen sind wichtig. Wir wollen zielgenaue Weiterbildungsangebote schaffen, die stärker den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten gerecht werden. Lernangebote zu personalisieren, ist eine Chance die Qualität zu verbessern.“
Eine kleine Revolution ist nötig
Um diese Ziele zu erreichen, braucht es aber nicht weniger als eine kleine Revolution:
Lehrpersonen müssen ihre Rolle verändern hin zu einer bedarfsgerechten Lernbegleitung. Sie müssen über Medienkompetenz und eine entsprechende technische Ausstattung verfügen. Hierbei gilt es auch, Bedenken gegenüber der Nutzung digitaler Medien abzubauen. Sinnvoll ist es außerdem, dass Lehrpersonen im Team zusammenarbeiten, Lerninhalte gemeinsam erstellen und untereinander teilen. „Wir müssen weg vom Einzelkämpfertum“, sind sich Dr. Petra Notz und Dr. Rainer Behrend einig.
Denn digitale Lerninhalte wie Podcasts, Videos oder Quiz zu erstellen, kostet am Anfang viel mehr Zeit als eine konventionelle Lerneinheit vorzubereiten. „Es reicht nicht, ein PDF auf Moodle hochzuladen. Man muss Autorentools beherrschen, man muss das Material didaktisch gut strukturieren und vorbereiten, am besten für einen längeren Zeitraum“, sagt Dr. Petra Notz. Sind die Inhalte einmal erstellt und über eine Cloud oder Lernplattform abrufbar, bieten sie dem Lehrpersonal Freiräume für individuelle Betreuung im Unterricht.
Zeit spielt auch bei der individuellen Weiterbildung im Betrieb eine Rolle – denn hierfür müssen Räume innerhalb der Arbeitszeit geschaffen werden. Dr. Angela Joost berichtet: „In KMU ist es selten so, dass Leute im Betrieb freigestellt werden für Lernzeiten.“ BWHW entwickelt deshalb kleine Lerneinheiten, die Fachkräfte auf dem Weg zur Arbeit oder in der Pause über das Handy abrufen können und die das bieten, was gerade an Wissen gebraucht wird.
Trotz dieser Voraussetzungen fällt die Resonanz auf die bisherigen Seminare der Projektpartner positiv aus: „Die Teilnehmenden sind motiviert und finden es sinnvoll. Und sie erkennen, dass es den Jugendlichen Spaß macht“, berichtet Dr. Petra Notz aus den Workshops für Ausbildungspersonal und Lehrkräfte. Teilnehmer Claus-Arwed Lauprecht zieht ein positives Fazit der Workshops von Weiterbildung Hessen: „Ich denke, dass das eine der Fortbildungen ist, die man als Dozent haben muss. Ich habe so viel Neues dazu gelernt, so viele praktische Tipps bekommen, so viele neue Ideen. Ich glaube man kann das perfekt in der Praxis umsetzen.“
Autor: Benjamin Dresen